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Lebenshilfe Ortsverein Marburg: Podiumsdiskussion zu sozialpolitischen Themen


Rund 50 Personen waren der Einladung des Lebenshilfe Ortsvereins Marburg ins Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) gefolgt. „Wir freuen uns sehr heute Abend zahlreiche Gäste zu dieser Diskussionsrunde zu empfangen“ begrüßte Roland Wagner alle Anwesenden in seiner Rolle als erste Vorsitzender des Marburger Ortsvereins.

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen fast 200 Mitgliedern wieder mehr Mitmachprogramm anzubieten und stärker miteinander im Gespräch zu sein. Die Podiumsdiskussion war einer der geplanten Events verbunden mit dem Vorhaben sich für sozialpolitische Themen stark zu machen – bietet dieses Format doch die seltene Gelegenheit der direkten Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen aus der Politik.

Der persönlichen Einladung des Vereins gefolgt waren die Landtagsabgeordneten Marie-Sophie Künkel und Dirk Bamberger (beide CDU), Sebastian Sack (SPD) und Angela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen). Angela Dorn stellte bei ihrer Ankunft im TTZ fest, dass eine Podiumsdiskussion außerhalb des Wahlkampfes eigentlich unüblich sei. Vielleicht war gerade das der Grund, warum in guter Atmosphäre und im Sinne der Sache diskutiert wurde. In vielen Fragestellungen gab es eine große Schnittmenge der Übereinstimmung, so die Moderatoren der Veranstaltung Sebastian Weber (Geschäftsführer des Kinderzentrums Weißer Stein) und die Selbstvertreter:innen aus der Lebenshilfe Eva Nicklas und Michael Brühl. Beide arbeiten im Vorstand des Ortsvereines mit.

Bei der Frage der drohenden Gefahr von rechts gab es eine klare Haltung: Die demokratischen Parteien müssen zusammenhalten und sich klar positionieren. Diese klare Position hat auch die Lebenshilfe bezogen: „Solange sich die AFD nicht von all denen distanziert, die eine solch extreme Haltung zu Inklusion vertreten, die in ihren Augen ein Irrweg ist, kann die AFD keine Alternative sein“. In Frieden und Freiheit sowie Selbstbestimmt zu leben, das ist der Wunsch aller. Dirk Bamberger stellte fest: „Wer nicht glaubt, dass Rechtsradikale eine Gefahr darstellen, der sollte einmal nach Hadamar fahren, dort kann man sich davon überzeugen“.

Barrierefreiheit war auch ein wichtiges Thema an diesem Abend. Keine Rampen an Bus- und Bahnsteigen, fehlende technische Ausstattung, bürokratische Hürden und ein größtenteils unverständliches Antragswesen sind nur einige Punkte, die Menschen mit Behinderung an ihre Grenzen bringen. Und die auch für Menschen ohne Behinderung eine ziemliche Hürde darstellen. So war es auch mit der Frage von Eva Nicklas was man für eine Barrierefreiheit in Arztpraxen tun könne. Es fehlt laut ihrer Erfahrung in Praxen an Geräten, um z. B. Menschen im Rollstuhl untersuchen zu können. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei den Türen, die zu eng sind, um mit dem Rollstuhl hindurchzukommen. Oft sind die Liegen zu hoch oder zu schmal. Eine Rampe an der Eingangstür und ein Aufzug machen eine Praxis noch nicht barrierefrei.

Bernd Gökeler, Vorsitzender des Netzwerkes für Teilhabe und Beratung (NTB) merkte an, dass lediglich 4 Prozent der Arztpraxen in Deutschland barrierefrei sind. Menschen mit Behinderung haben viel Potential, daher ist es wichtig dafür zu sorgen, dass dieser Personenkreis die gleichen Chancen hat wie Menschen ohne Behinderung. Dies fange im Kindergarten an und ziehe sich durch das ganze Leben.

Auf die Frage von Angela Dorn an Eva Nicklas und Michael Brühl, ob sie auch gerne in einem Betrieb der freien Wirtschaft arbeiten möchten, bezogen sie eine klare Position. Die Arbeit in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist für beide eine sinnstiftende Tätigkeit, sie fühlen sich dort mehr als wohl. Sebastian Sack, vor seiner Tätigkeit im Landtag als Gymnasiallehrer tätig, merkte an: „Bei der Inklusion hat mir oft der Input gefehlt. Als Lehrer:in muss man sich da sehr viel selbst erarbeiten“.

Zur UN Behindertenrechtskonvention und der damit verbundenen Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) gab es auf dem Podium relativ viel Übereinstimmung. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein müssten“ so Marie-Sophie Künkel. Im Hinblick auf das BTHG wurde festgestellt, dass was gut gemeint nicht immer gut gemacht ist. Das System muss einfacher werden. Die Kassen werden immer knapper, das Geld wird nicht mehr, daher muss geschaut werden wie es am effektivsten verteilt werden kann. Die Bürokratie gilt es abzubauen und vorher das Misstrauen.

Der Fachkräftemangel ist ein allgemeines Thema, das nicht nur die Behindertenhilfe betrifft. Er ist in fast allen Branchen zu beobachten. Es müssen mehr Anreize geschaffen werden – auch im Hinblick auf die Vergütung. Die Infrastruktur gilt es zu verbessern und es braucht mehr Möglichkeiten für Quereinsteiger:innen. Auch in diesem Bereich muss die Hürde namens Bürokratie abgebaut werden.

Nach zwei Stunden guter Diskussion stellte Roland Wagner fest: „Ein kurzweiliger, informativer Abend mit klaren Aussagen seitens der Politik geht zu Ende“. Es wurden einige Themen und Ideen mitgenommen, die im nächsten Schritt durch die Abgeordneten in den betreffenden Ausschüssen behandelt werden. Und es wurde deutlich, dass alle anwesenden Politiker:innen es als ihre Aufgabe sehen, sich für Menschen mit Behinderung einzusetzen. Den Abschluss machte eine Einladung in den Wiesbadener Landtag seitens Frau Künkel. Dem komme man gerne nach und will sich mit einer inklusiven Abordnung der Lebenshilfe für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen – dann vor Ort, dort wo die Entscheidungen getroffen werden.

Roland Wagner - Vorsitzender

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